Podiumsdiskussion: Data needs devices vs. devices needs data?

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Podiumsdiskussion zu den Herausforderungen und Chancen bei der Nutzung von komplexen Gesundheitsdaten in Versorgung und Forschung. V.l.n.r.: Nick Schneider (Bundesministerium für Gesundheit), Dr. Anke Diehl (Unimedizin Essen), Prof. Dr. med. Naureen Keric (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Dr. Stafan Thesen (Siemens Healthineers)

Datennutzung: Wie Forschung und Versorgung profitieren können

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Prof. Dr. med. Naureen Keric (Universitätsklinikum Schleswieg- Holstein, Dr. Stefan Thesen (Siemens Healthineers) im Gespräch mit Daniel Erk (v.l.n.r).

Gesundheitsdaten bergen einen Schatz an Informationen. Was braucht es, um ihn zu heben? Beim Fraunhofer Imaging Day 2025 diskutierte ein Panel aus Gesundheitsexpertinnen und -experten die wichtigsten Fragen rund um Big Data und KI.

In der medizinischen Forschung und Praxis entstehen täglich gewaltige Datenmengen – von den handschriftlichen Notizen des Hausarztes über Blutproben bis hin zu CT- und fMRT-Aufnahmen. Ein großer Teil dieser Daten lagert nach seinem primären Anwendungszweck ungenutzt in Aktenordnern oder Datenbanken. Welche Chancen und Herausforderungen in der systematischen Nutzung von Gesundheitsdaten liegen, war Thema der Podiumsdiskussion beim Fraunhofer Imaging Day am 24. Juni 2025 in Berlin.

Mentalität, Gesetzgebung und IT-Infrastruktur als zentrale Hürden

»Wir machen es uns in Deutschland zu bequem, anstatt zu debattieren und zu streiten. An Datenschutz traut sich hierzulande keiner ran«, erklärte Nick Schneider zu Beginn der Diskussion. Er plädierte für einen Mentalitätswechsel: Datenschutz und Datennutzung müssten zusammengedacht werden. Schon innerhalb des aktuellen Rechtsrahmens könnten Gesundheitsdaten mehr genutzt werden, als dies häufig der Fall sei: »Bei vielen kleineren Unternehmen und Kliniken ist der risikobasierte Ansatz der Datenschutz-Grundverordnung noch nicht ganz angekommen.« Schneider betonte zugleich das Problem unterschiedlicher Datenschutzgesetze in den Bundesländern: »Ohne eine Bundeskompetenz für die Datennutzung und den Verbraucherdatenschutz wird es nicht gehen.«

Naureen Keric stößt in ihrem Arbeitsalltag als Direktorin der Klinik für Neurochirurgie am Campus Lübeck auf eine weitere Hürde, wenn es um Datennutzung geht: »Es gibt sehr viele Kliniken, die täglich Daten unterschiedlicher Qualität in unterschiedlichen Systemen erfassen. Die müsste man zentral zusammenführen.« Denn bei der Erforschung Seltener Erkrankungen sei es oft nicht möglich, randomisierte klinische Studien durchzuführen, weil die Fallzahlen zu gering seien: »Wir sind bei der Behandlung von primären Hirntumoren auf Registerdaten angewiesen, um Evidenz zu sammeln.« Keric fordert eine übergeordnete IT-Infrastruktur, über die Daten von Kliniken, Forschungseinrichtungen und Arztpraxen gesammelt und bereitgestellt werden können.

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Dr. med. Anke Diehl, Leiterin der Stabsstelle für Digitale Transformation der Universitätsmedizin Essen.
Prof. Dr. med. Naureen Keric, Direktorin der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

Digitale Patientenakte: Patientinnen und Patienten müssen aufgeklärt werden

Eine Voraussetzung für die Nutzung von Gesundheitsdaten ist die Zustimmung der Patientinnen und Patienten. Anke Diehl von der Universitätsmedizin Essen sieht hier Bedarf für ein kulturelles Umdenken: »Es ist nicht falsch, Daten zu teilen – erst recht nicht mit der Industrie oder anderen forschenden Einrichtungen.« Die Nutzung von Daten innerhalb einer Klinik ist standardmäßig über die Behandlungsverträge geregelt. Doch für den Austausch zwischen Kliniken und Unternehmen ist eine Einwilligung der Behandelten nötig, der sogenannte »Broad Consent«. »Das ist ein elfseitiges Dokument. Ich frage mich, welcher Patient das versteht. Das ist eigentlich ein Skandal«, erklärte Diehl. 

Besonders deutlich wird dies mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Diese sei ein technisches Instrument, mit dem in Zukunft jede und jeder die eigenen Gesundheitsdaten einsehen und verwalten könne, sagte Nick Schneider: »Die ePA sorgt für Transparenz und kann national und europäisch auch für die Versorgung genutzt werden.“ Wer etwa im Ausland erkrankt, kann Ärztinnen und Ärzten über die ePA Informationen über die eigene Vorgeschichte zur Verfügung stellen, die wiederum mithilfe von KI übersetzt werden können. „Ein Riesenbenefit für die Versorgung“, so Schneider. „Den müssen wir aber politisch besser kommunizieren.«

Hoher Innovationsdruck durch internationale Wettbewerber

Bis 2029 muss die ePA gesetzeskonform an den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) angebunden werden. Der EHDS sieht unter anderem vor, dass ePA-Daten in sicheren Verarbeitungsumgebungen für Forschung und Entwicklung nutzbar gemacht werden. Ein wichtiger politischer Schritt, lobte Stefan Thesen von Siemens Healthineers. Und doch passiere im globalen Vergleich zu wenig: »In den USA und China läuft gerade die generative KI-Revolution. Die wird immer schneller. Große Player wie Microsoft investieren da gewaltige Summen.« Thesen ist überzeugt, dass Deutschland mit seiner Hightech-Industrie gute Voraussetzungen habe, um international wettbewerbsfähig zu sein: »Wir sind Weltmarktführer mit unseren Produkten. Doch wir müssen Gas geben, um nicht in eine KI-Abhängigkeit zu kommen.«

In einem Punkt waren sich die vier Expertinnen und Experten des Panels einig: In Zeiten von KI und Big Data bieten Gesundheitsdaten enorme Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung und die deutsche Wirtschaft. Doch Politik, Industrie und Forschung stehen auch vor großen Aufgaben. Es braucht unter anderem einen Mentalitätswechsel und eine möglich machende Gesetzgebung, zentrale IT-Infrastrukturen, politische Aufklärungsarbeit und eine höhere Geschwindigkeit, um dieses Potenzial zu realisieren.

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Nick Schneider (Bundesministerium für Gesundheit), Dr. Anke Diehl (Unimedizin Essen), Prof. Dr. med. Naureen Keric (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), v.l.n.r.
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Panel der Podiumsdiskussion »Data needs devices vs. devices needs data? Herausforderungen und Chancen bei der Nutzung von komplexen Gesundheitsdaten in Versorgung und Forschung«.
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Austausch unter den Teilnehmenden im Anschluss an die Podiumsdiskussion.