
Gesundheitsexpertinnen und -experten beleuchteten beim Fraunhofer Imaging Day 2025 verschiedene Aspekte der modernen Bildgebung: ihren politischen Stellenwert für die neue Regierung, ihre wissenschaftliche Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung.
»Lange war es so in der Medizingeschichte: Man sieht erst, was kaputt ist, wenn es zu spät ist. Die moderne Bildgebung mit ihren wahnsinnigen Fortschritten hat das verändert. Aber: Einblick ist noch nicht Einsicht.« Mit diesen Sätzen brachte Professorin Dr. Veronika von Messling, die Leiterin der Abteilung Lebenswissenschaften im Ministerium für Bildung und Forschung, auf den Punkt, worum es am 24. Juni 2025 im Fraunhofer-Forum Berlin gehen sollte: um die Chancen, die die Weiterentwicklung von Bildgebungsverfahren mit sich bringen, aber auch um die Herausforderungen, mit denen die Medizinbranche konfrontiert ist. Die Leiterin der Abteilung Lebenswissenschaften im Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt präsentierte die Forschungsstrategie der Bundesregierung mit Blick auf die Medizintechnik. Bildgebende Verfahren in der Medizin sind diagnostische Methoden, mit denen innere Strukturen und Organe des Körpers sichtbar gemacht werden – etwa durch Röntgen, Ultraschall, CT oder MRT.
»Bildgebung verkörpert einen Paradigmenwechsel: weg vom Reparieren hin zu Prävention und Früherkennung“, betonte von Messling. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist Medizintechnik als eine der Leitindustrien verankert. Schon im Sommer solle die Hightech-Agenda der Bundesregierung starten, mit der Schlüsseltechnologien gefördert würden. Die Agenda solle die Sichtbarkeit für Spitzenforschung erhöhen, Wertschöpfung generieren und Deutschland weiter als Topforschungsstandort etablieren. Von Messling ergänzte: „Das Thema Gesundheit ist besonders sensibel. Da müssen wir Fortschritte, Kosten und Nutzen immer gut abwägen.«
Moderne Bildgebung nicht ohne Nobelpreisträger
Wie enorm der Fortschritt im Bereich der Bildgebungstechnologie in den vergangenen Jahrhunderten war, verdeutlichte Professor Dr. Thorsten M. Buzug in seiner Keynote. Allein 24 Nobelpreisträger haben mit ihrer Forschung direkt oder indirekt dazu beigetragen, »das Unsichtbare sichtbar zu machen«, so Buzug: darunter Wilhelm Röntgen, der Entdecker der »X-Strahlen«, genauso wie die Physiker Willard Boyle and George E. Smith. Die beiden haben die CCD-Chips erfunden, die Licht in elektrische Signale umwandeln und so die digitale Bildgebung ermöglichen. Oder Peter Mansfield und Paul Lauterbur, die mit ihren Arbeiten wesentlich zur Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT) beigetragen haben.
Der geschäftsführende Direktor des Fraunhofer IMTE führte zudem aus, wie vielseitig heute die Anwendungsbereiche der Bildgebung sind. Er stellte 16 Forschungsprojekte aus den Fraunhofer-Instituten vor, die sich zum Beispiel mit quantenzählenden Detektoren, hochauflösenden Nano-CT-Systemen oder der Laser-Scanning-Mikroskopie beschäftigen. Buzug schloss seine Keynote mit der Prognose, welche Faktoren das Wachstum der Branche vorantreiben werden: eine alternde Bevölkerung, die zunehmend an altersbedingten und chronischen Krankheiten leidet, ein steigendes Bewusstsein für Früherkennung und Prävention sowie weitere technologische Innovationen, die auf KI beruhen.
Unternehmen brauchen mehr Dialog und weniger Bürokratie
Bildgebung und Medizintechnik sind nicht nur wichtige Forschungszweige, sondern auch echte Wirtschaftsfaktoren, wie Dorothee Stamm in ihrem Impulsvortrag erläuterte: »Medizintechnik treibt technischen Fortschritt voran und schafft Arbeitsplätze.« Rund 212.000 Menschen seien in der Branche beschäftigt, die einen jährlichen Produktionswert von 46 Milliarden Euro erwirtschaftet hätten, so die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Medizintechnologie. Stamm forderte, dass dem Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen folgten: »Wir müssen raus aus der Komfortzone und kollaborativer und systemischer denken.« Es brauche einen institutionalisierten Dialog- und Strategieprozess sowie eine übergreifende MedTech-Strategie für die Branchen Biotech, Pharma, Health-IT und Medizintechnik.
Stamm berichtete aus der täglichen Praxis von deutschen Unternehmen, die Spitzenprodukte entwickelten, aber auch in einem globalen Wettbewerb stünden – etwa wenn es darum ginge, wo Studien durchgeführt oder Produkte auf den Markt gebracht würden. Die deutsche Bürokratie sei oft besonders kompliziert und langsam: »Es gibt in 16 Bundesländern 16 Datenschutzregelungen«, so Stamm. Sie hält eine Kompetenzbündelung auf Bundesebene für hilfreich, um Innovationen im Bereich der Bildgebung zu beschleunigen.
Bildgebung liefert einen Schatz an Daten
Auch Dr. Werner Göbel vom Medizintechnikunternehmen KARL STORZ verwies auf die Herausforderungen, mit denen Unternehmen in Deutschland häufig zu kämpfen haben: »Wir stehen vor hohen organisatorischen und politischen Hürden, wenn wir die vielen Daten, die wir sammeln, nutzen wollen.« KARL STORZ ist einer der führenden Anbieter für Endoskopie in der minimalinvasiven Medizin. Die endoskopische Bildgebung liefert einen menschlichen Blick in den Körper und unterstützt beispielsweise Chirurginnen und Chirurgen bei der genauen Lokalisierung von Geweben vor einer Operation. Bei diesen Einsätzen entstünden große Datenmengen, die mithilfe von KI zu Forschungszwecken genutzt werden könnten, wenn es entsprechende Datennutzungsregelungen gäbe, so Göbel.
Die vier Vorträge illustrierten, was von Messling zu Beginn ihrer Keynote formulierte: Die moderne Bildgebung hat das Potenzial, die Gesundheitsforschung und -versorgung weiter zu revolutionieren. Doch um dieses Potenzial zu verwirklichen, sind Rahmenbedingungen nötig, die es Wissenschaft und Wirtschaft erlauben, mit KI und Big Data die Bildgebung voranzutreiben – damit aus wachsendem Einblick auch vermehrte Einsicht wird.